Rauchen in Gesundheits- und Pflegeberufen
Woran liegt es, dass ausgerechnet in Pflegeberufen vergleichsweise viele Menschen rauchen?
Um mehr zu erfahren, haben wir Frau Rustler angerufen. Sie ist für das „astra plus Gesundheitskompetenz – Rauchfrei in der Pflege“ verantwortlich (Hier geht es zu der Webseite), ein Programm, das Pflegeschulen dabei unterstützt in der Ausbildung professionelle Gesundheitskompetenz zu vermitteln und die Rauchfreiheit fördert. Das Programm wird vom Deutschen Netz Rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen angeboten, in dem sowohl Mitarbeitende als auch Patientinnen und Patienten zu einem Rauchstopp motiviert werden.
Wahrgenommene soziale Norm: „Was alle machen, ist schon in Ordnung!“
Frau Rustler hat ganz unterschiedliche Gründe genannt, weshalb gerade in Pflegeberufen so viele Menschen rauchen. Ein Grund könnte die sogenannte „wahrgenommene soziale Norm“ sein. Das bedeutet, dass der Mensch immer dazu tendiert, das eigene Verhalten an das Verhalten und die Vorstellungen der Menschen im engen Umfeld anzupassen, frei nach dem Motto: „Wenn die anderen das machen, ist das schon in Ordnung“. Nun stellt euch vor, ihr beginnt mit einer Ausbildung in der Pflege und seht tagtäglich, wie viele der anderen Kolleginnen und Kollegen (in der Ausbildung ja auch deine Vorgesetzten und vielleicht sogar Vorbilder) rauchen. Und bedenke, dass auch unter den Patientinnen und Patienten verhältnismäßig viele rauchen. Warum? Menschen, die rauchen, werden tendenziell eher krank, und müssen dementsprechend eher mal medizinisch behandelt werden. Beispielsweise ist das Risiko, eine Krebserkrankung zu bekommen, für Raucher und Raucherinnen zwei bis über zwanzigmal (je nach Krebsart) höher als für Menschen die nicht rauchen.
In der Folge bekommt jemand, der oder die tagtäglich in diesen Bereichen arbeitet, ein ganz schiefes Bild davon, wie viele Menschen eigentlich wirklich rauchen.
Rauchpausen: „Wer nicht raucht, zieht den Kürzeren?“
Die Arbeitsbelastung und der Personalmangel in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen führt häufig dazu, dass reguläre Pausen zu kurz kommen. Die Zeit reicht aber doch für „mal schnell eine rauchen gehen“. Außerdem bietet „Rauchen gehen“ auch immer die Möglichkeit, mit anderen Kolleginnen und Kollegen in den Austausch zu kommen. Dort trifft man dann auch die Leute, die in anderen Abteilungen und Bereichen arbeiten oder die Mitauszubildenden, die auf anderen Stationen ihren Einsatz haben.
Durch diese vermeintlichen „Vorteile“ des Rauchens im Krankenhausalltag vergisst man vielleicht schnell die klaren Nachteile des Rauchens. So zeigen Studien aus dem Programm astra plus, dass rauchende Pflegeauszubildende mehr unter Stress leiden als diejenigen, die nicht rauchen. Die gute Nachricht: Diejenigen, die an einem der Rauchstoppkurse in der Ausbildung teilnehmen und rauchfrei werden, wenden mehr gesunde Stressbewältigungsstrategien an als diejenigen, die weiterrauchen. Sie profitieren nicht nur finanziell, weil sie das Geld für teure Zigaretten sparen, sondern brauchen sich auch keine Gedanken um die Gesundheitsschäden des Rauchens machen, die sie im Krankenhaus tagtäglich und live erleben:
(Raucher-)Beine die amputiert werden müssen: Hintergrund ist hierbei oft eine sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Mehr Infos dazu findet ihr auf der Seite rauchfrei-info.de: pAVK. Auch Wunden (zum Beispiel nach einer Operation) verheilen bei rauchenden Menschen tendenziell schlechter (DKFZ, 2011). Natürlich kann man im Krankenhaus auch viele Menschen mit ganz unterschiedlichen Krebserkrankungen erleben (mehr zu Rauchen und Krebs findet ihr hier: So entsteht Krebs). Man sieht, welchen Leidensweg diese teilweise gehen müssen und leider gehören auch die rauchbedingten schweren Erkrankungen von Lunge und Atemwegen (z.B. COPD) dazu. Einen Menschen, der an einer COPD erkrankt ist, haben wir dazu schonmal interviewt: Welt-COPD-Tag: Gespräch mit einem Betroffenen.
Schon diese wenigen Beispiele zeigen, welche Auswirkungen das Rauchen auf Gesundheit und Krankheit haben kann. Aber kommen wir zurück zu Rauchen in der Pflege, denn die Mehrzahl der Pflegefachpersonen ist ja rauchfrei bzw. wird während des Berufslebens rauchfrei. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht rauchen sind auch diejenigen, die oft auf Station „die Stellung halten müssen“, wenn andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter „mal schnell eine rauchen gehen“. Ein rauchfreies Krankenhaus kann also auch gut für die Zusammenarbeit im Team sein.
Was kann man gegen den Rauchtrend in der Pflege tun?
Frau Rustler beschrieb hier gleich mehrere Dinge, die man machen kann, um diesem Trend entgegenzuwirken. Unter anderem ist es wichtig, dass Pflegende schon in der Ausbildung zum Thema Rauchen und Rauchstopp aufgeklärt werden und lernen, welche verschiedene Möglichkeiten es für den Rauchstopp gibt. Dieses Wissen benötigen sie einerseits, um sich selbst der Risiken und Gefahren bewusst zu werden und Ausstiegsmöglichkeiten zu kennen und andererseits, um die ihnen anvertrauten Patientinnen und Patienten möglichst ideal versorgen und beraten zu können. Pflegefachpersonen sind nicht nur Expertinnen und Experten für die Versorgung erkrankter Menschen, sondern sie beraten und unterstützen Menschen vor allem dabei etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Da sollte das Thema Rauchstopp natürlich ganz oben auf der Liste stehen. In den aktuellen Leitlinien zur Tabakentwöhnung sind die Pflegeberufe bei der Ansprache und Hilfe zum Rauchstopp bei Patientinnen und Patienten benannt. Pflegeschulen, in denen das Programm astra durchgeführt wird, erlernen Auszubildende z.B. rauchenden Patientinnen und Patienten die Rauchstoppberatung am Telefon der BZgA anzubieten.
Von der Theorie zur Praxis: Unsere Tipps für Auszubildende in der Pflege
- Informiert euch
Macht euch bewusst, dass ihr im Krankenhaus ein verfälschtes Bild davon bekommt, wie viele Menschen eigentlich wirklich rauchen. Zahlen dazu könnt ihr hier finden: Nichtrauchen im Trend. Auf rauch-frei.info findet ihr auch zahlreiche andere Infos rund um das Thema Rauchen, wie zum Beispiel die Gefahren des Passivrauchens oder auch die konkreten Auswirkungen auf den Körper (Folgeschäden: Dein Körper raucht mit!). Es gibt tatsächlich sogar Angebote, die direkt für euch gedacht sind: Auf dieser Seite gibt es Informationen und Unterstützung speziell für Auszubildende in der Pflege. - Bereitet euch vor
Überlegt euch Strategien, wie ihr mit den rauchenden Kolleginnen und Kollegen zum Beispiel auf Pflegestationen umgehen wollt. Das ist meistens gerade als Auszubildende/r gar nicht so einfach, weil die Mitarbeitenden häufig auch diejenigen sind, die den Auszubildenden sagen, was zu tun ist. Da will natürlich niemand „anecken“- sucht euch also gezielt die Personen auf Arbeit aus, die nicht rauchen und überlegt vielleicht auch gemeinsam mit den rauchenden Kolleginnen und Kollegen, wie ihr im Team gesunde und verlässliche Pausen oder auch kurze Auszeiten organisieren könnt. - Informiert andere
Auch wenn Rauchen im Pflegealltag häufig nicht mehr hinterfragt wird, gehört es zu den Aufgaben von Pflegefachpersonen, Aufklärungsarbeit zu den Gefahren des Rauchens leisten zu können. Denn bei vielen Erkrankungen, die in Krankenhäusern teuer behandelt und (leider) teilweise nicht immer geheilt werden können, liegt die Hauptursache im Rauchen. Alleine im Jahr 2019 wurden in deutschen Krankenhäusern rund 458.000 Patientinnen und Patienten aufgrund typischer Raucherkrankheiten behandelt (Statistisches Bundesamt, 2021). Unterstützt und motiviert also alle Menschen in eurem Umfeld und auf der Arbeit vor allem auch Auszubildende dabei, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen, das Rauchen zu hinterfragen bzw. idealerweise den Rauchstopp zu starten.
Weitere Informationen zum Thema „Rauchen und Pflege“
- Deutsches Netz Rauchfreier Krankenhäuser & Gesundheitseinrichtungen (DNRfK e.V.):
www.rauchfrei-plus.de - astra plus Gesundheitskompetenz – Rauchfrei in der Pflege:
www.astra-programm.de - Informationen aus einem Symposium „Nurses Role in Tobacco Control“ findet ihr hier:www.astra-programm.de/index.php?id=687
Fachautor:
Martin Reemts
Redaktion:
Martin Reemts, Lydia Brunn
Quellen:
- Deutsches Krebsforschungszentrum. (2015). Tabakatlas Deutschland 2015. Heidelberg: Deutsches Krebsforschungszentrum. Verfügbar unter: Tabakatlas-2015-final-web-dp-small.pdf (dkfz.de)
- Deutsches Krebsforschungszentrum (Hrsg.) Operationsrisiko Rauchen. Heidelberg, 2011. Verfügbar unter: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_Operationsrisiko_Rauchen.pdf
- Orth, B. & Merkel, C. (2020). Die Drogenaffinität Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland 2019. Rauchen, Alkoholkonsum und Konsum illegaler Drogen: aktuelle Verbreitung und Trends. BZgA-Forschungsbericht. Köln: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. doi: 10.17623/BZGA:225-DAS19-DE-1.0
- Statistisches Bundesamt (Destatis), Pressemitteilung Nr. N 036 vom 28. Mai 2021. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/05/PD21_N036_23.html
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