Unsichtbar und giftig: kalter Rauch
Trotz Rauchverbot: Rauch-Schadstoffe im Kinosaal
Ein ganz normaler Kinoabend: Die Türen des Kinosaals öffnen sich, Menschen strömen hinein, machen es sich gemütlich und schauen für ungefähr anderthalb Stunden einen Film. Dann verlassen sie den Saal wieder und machen Platz für die nächsten Gäste. So war es auch in dem Mainzer Kino, in dem die Studie durchgeführt wurde. Mit einer Besonderheit: Parallel dazu wurde mit einem Messgerät die Luftqualität in den Kinosälen gemessen. Dabei fanden die Studienverantwortlichen jede Menge Giftstoffe – und zwar genau jene, die auch in Zigaretten vorkommen, zum Beispiel Benzol und Formaldehyd.
Die Studie zeigt: Während die Kinogäste einen Film schauten, atmeten sie so viele Schadstoffe ein wie eine Person, die zwischen ein und zehn Zigaretten „passiv raucht“ (also dabei ist, während jemand anderes zwischen einer und zehn Zigaretten raucht). Dieses Ergebnis lässt staunen – vor allem, wenn man weiß, dass in den Kinos seit 15 (!) Jahren ein Rauchverbot herrscht. Außerdem verfügten die Säle offenbar über eine gute Lüftungsanlage. Des Rätsels Lösung lautet: Es waren die Zuschauer und Zuschauerinnen, die die Rauchpartikel mit in das Kino brachten.
Winzige Rauch-Partikel an Kleidung, Haut und Haaren
Offenbar hatten einige der Gäste vor dem Kinobesuch geraucht. Dabei haben sich für das Auge unsichtbare kleinste Partikel des Rauchs an ihre Kleidung, ihre Haut und ihre Haare geheftet. Im Kinosaal haben sich die Partikel dann „selbstständig gemacht“ und mit der Raumluft vermischt. Für diese Erklärung sprechen auch die beiden folgenden Beobachtungen: Immer wenn die Gäste einen Kinosaal betraten, stieg die Giftstoff-Konzentration im Raum sprunghaft an, um dann stetig zu sinken. Und bei Kinderfilmen – in die ja mehrheitlich Kinder und weniger rauchende Erwachsene gehen – war die Menge an „Rauch-Altlasten“ in der Luft deutlich geringer.
Kleinste Partikel aus dem Tabakrauch, die in der Luft schweben und von anderen eingeatmet werden – das klingt fast wie Passivrauchen, ist aber doch etwas anderes. Deshalb gibt es inzwischen auch einen eigenen Begriff dafür.
Rauchen aus erster, zweiter und dritter Hand
Im Englischen wird schon seit langem von „secondhand smoke" (Rauchen aus „zweiter Hand") gesprochen, wenn jemand den Rauch einer anderen Person einatmet. Bei uns heißt dieser Vorgang dagegen Passivrauchen. Um „Rauch aus dritter Hand“ (thirdhand smoke) handelt es sich wiederum, wenn Rückstände des Rauchs – die sich zum Beispiel in einem Raum oder an Kleidung, Haut und Haaren abgelagert haben – in den Organismus gelangen, so wie in dem Kino-Beispiel. Während es für die Gesundheitsschädlichkeit des Rauchens und auch des Passivrauchens zahlreiche wissenschaftliche Belege gibt, stehen die Forscherinnen und Forscher beim Dritthandrauch noch ziemlich am Anfang. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass auch die für das Auge unsichtbaren Reste des Tabakrauchs eine Gesundheitsgefahr darstellen.
Kalter Rauch: auch giftig, wenn man ihn nicht riecht
Weil „Rauch aus dritter Hand“ oder „Dritthandrauch“ für die meisten kompliziert und ungewohnt klingt, ist in Deutschland meist von „kaltem Rauch“ die Rede. Aber Vorsicht: „Kalter Rauch“ klingt nach dem abgestandenen Geruch nach einer Party oder wenn man eine verrauchte Wohnung betritt. Jeder weiß dann: Lüften ist angesagt, außerdem hält man sich in den entsprechenden Räumen am besten möglichst kurz auf. Meist jedoch riecht man kalten Rauch gar nicht. So wie in dem Kinosaal: Für die Anwesenden fühlte es sich wie ein ganz normaler Kinoabend an, verraucht dürfte es dort auch nicht gerochen haben. Und trotzdem wurden die Giftstoffe eindeutig gemessen.
Fazit: Nicht nur „frischer“ Tabakrauch enthält Giftstoffe. Auch winzige Rückstände des Rauchs, die sich auf Oberflächen, in Textilien oder auch im Haar und auf der Haut ablagern können, sind giftig.
Ob und wie gesundheitsschädlich dieser „kalte Rauch“ ist, muss die Wissenschaft erst noch genauer untersuchen. Trotzdem sollte man jetzt schon darauf achten, möglichst nicht mit verrauchter Kleidung in Kontakt zu kommen und auch nicht (k)alten Rauch mit in die Wohnung und andere Innenräume zu schleppen.
Quellen:
Sheu, R., Stönner, C., Ditto, J. C., Klüpfel, T., Williams, J. & Gentner, D. R. (2020). Human transport of thirdhand tobacco smoke: A prominent source of hazardous air pollutants into indoor nonsmoking environments. Science Advances, 6(10), eaay4109. doi.org/10.1126/sciadv.aay4109
Dönges, J. (2020, März 5). 1710460. Spektrum. www.spektrum.de/news/raucherklamotten-belasten-die-luft-wie-passivrauchen/1710460
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